Vermögensverwaltung der Kommunen umsatzsteuerpflichtig
Am 15.04.2010 hat der Bundesfinanzhof ein bedeutsames Urteil gefällt, mit folgendem Leitsatz: Dem Begriff der „Vermögensverwaltung“ kommt umsatzsteuerrechtlich für die Unternehmerstellung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts durch einen „Betrieb gewerblicher Art“ keine Bedeutung zu.
Im Urteilsfall ging es um eine Universität in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung nahm das Finanzamt an, dass die Universität neben ihren bereits versteuerten Umsätzen weitere steuerpflichtige Leistungen erbracht habe. Dabei handelte es sich um die einer Firma vertraglich gegen Vergütung gestattete Aufstellung von Automaten auf dem Hochschulgelände und die entgeltliche Überlassung von Personal und Sachmitteln an im medizinischen Bereich tätige Hochschulbedienstete für deren Nebentätigkeit auf der Grundlage einer entsprechenden Nebentätigkeitsverordnung. Dazu kam eine Zahlung der Stadt an die Universität auf der Grundlage einer entsprechenden Verpflichtung der Stadt, ein medizinisches Institut als Aus- und Weiterbildungsstätte in Abstimmung mit der Universität zu betreiben und diese bei einer Kostenüberdeckung an einem Mehrertrag bis zu einer bestimmten Höchstgrenze zu beteiligen.
Die Sachverhalte wurden im Urteil wie folgt gewürdigt: Die entgeltliche Gestattung der Automatenaufstellung basiert auf einem privatrechtlichen Vertrag und damit steuerbar und steuerpflichtig. Wenn die Überlassung von Personal und Sachmittel gegen Entgelt auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage erfolgt, ist die Universität nur dann Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Dies muss das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang prüfen. Hinsichtlich des ertragsabhängigen Zuschusses für die Institutsüberlassung sah der BFH keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt, was für die Gestaltungspraxis auch nicht unbedeutend ist.
Konflikt zwischen deutschem und EU-Recht
Mit diesem Urteil wendet sich der BFH gegen die bisherige Praxis, dass Einnahmen im Bereich der Vermögensverwaltung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auch im Umsatzsteuerrecht als nicht steuerbar behandelt werden. Dies liegt auf der Linie des europäischen Rechts, denn Artikel 13 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie begründet für die Vermögensverwaltung durch juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich eine Steuerpflicht. Dieser Grundsatz ist im deutschen Umsatzsteuerrecht noch nicht umgesetzt. Bisher orientiert sich der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff im Zusammenhang mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an der Einordnung der Tätigkeit gemäß Körperschaftsteuerrecht: es muss ein Betrieb gewerblicher Art vorliegen. Einnahmen aus der Vermögensverwaltung sind daher bisher weder im Umsatzsteuerrecht noch im Körperschaftsteuerrecht zu erfassen.
Welche Sachverhalte sind tangiert?
Betroffen sind alle Sachverhalte, bei denen die juristische Person des öffentlichen Rechts nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt tätig wird, sondern auf privatrechtlicher Grundlage. Denn ein Handeln auf privatrechtlicher Grundlage bedeutet potenzielle Wettbewerbsverzerrung und begründet damit nach EU-Recht die Steuerbarkeit im Umsatzsteuerrecht.
Es ergibt sich dabei keine steuerliche Mehrbelastung, wenn die Leistung von der Umsatzsteuer befreit ist, denn die Umsatzsteuerbefreiungsvorschriften gelten für alle Unternehmer gleicher Maßen. Dazu zählt beispielsweise die langfristige Vermietung von Grundbesitz. Keine Steuerfreiheit liegt jedoch vor bei
- Überlassung von Sportanlagen zur Nutzung an Vereine und Kommunen,
- Vermietung von Betriebsvorrichtungen auf Grundstücken,
- Gestattung der Aufstellung von Automaten (siehe Urteilsfall), Mobilfunkmasten, Fahrrad- oder Gepäckboxen u. ä.
- Überlassung von Patenten oder anderen Nutzungsrechten.
Es ist zu erwarten, dass die in dem genannten BFH-Urteil aufgestellten Grundsätze, die zudem mit der EU-Richtlinie konform gehen, über kurz oder lang in der deutschen Besteuerungspraxis etabliert werden. Es bleibt zu hoffen, dass eine großzügige Übergangsregelung geschaffen wird, die insbesondere eine steuerliche Mehrbelastung für die bereits realisierten Einnahmen vermeidet. Problematisch sind jedoch insbesondere Dauersachverhalte, bei denen die zusätzliche Erhebung von Umsatzsteuer im Vertrag nicht geregelt ist. Da das Urteil besonders solche Fälle tangiert, bei denen zivilrechtliche Verträge die Grundlage bilden, sind auch die zivilrechtlichen Spielregeln zu beachten: eine Erhöhung des Entgelts ohne Kündigung des Vertrages – mit entsprechenden Fristen – ist sicherlich nicht so einfach möglich.